Die Bezeichnung „Arschlochpferd“ wird von dem sehr empfehlenswerten Blog www.arschlochpferd.de täglichen mit den Absurditäten des Reitsports gefüllt und ich möchte diesen Begriff daher gar nicht für mich beanspruchen. Und doch komme ich beim täglichen Lesen nicht umhin, mit einem Schmunzeln an das Heidepony zu denken. Yuppi verdiente zu Beginn unserer Partnerschaft durchaus den Titel Arschlochpony. Noch nie war mir ein dermaßen dickfelliges, ignorantes Pony untergekommen. Er tat wirklich alles dafür, dass man ihn tagtäglich hätte verfluchen müssen. Er ging auf seine Kumpels los, er stand penetrant im Weg, wenn man irgendwo durch wollte und weigerte sich auch hartnäckig nur einen Schritt zur Seite zu gehen, ja, er stemmte sich sogar regelrecht dagegen. Das tägliche Füttern wurde zu einer nahezu unlösbaren Aufgabe, denn sobald er mit seinem eigenen Eimer fertig war, kam er aus dem Stall gerast, der er komplett für sich allein beanspruchte, und klaute denen anderen, was nicht niet- und nagelfest war – zur Not auch mit Gewalt und „fliegenden“ Hufen.
Aber er hatte auch schon zu dem Zeitpunkt eine durchaus charmante und begeisternde Seite und oft überlegte ich mir, warum er seinem Glück eigentlich selbst im Weg steht. Yuppi hatte sich entschieden, keine Bindung zu Menschen einzugehen, vielleicht war er in seinem bisherigen Leben zu oft enttäuscht worden. Von jeher konnte man ihn damit für sich gewinnen, wenn man ihn mit Liebe und Streicheleinheiten überschüttete. Oder anders gesagt: Wenn Yuppi im Mittelpunkt stand, dann war die Welt für ihn in Ordnung. Er sieht nicht nur aus wie ein Barbie-Pferd, er ist auch durch und durch eine kleine Prinzessin und möchte so behandelt werden.
Es gab Menschen, die meinten „Dann muss er eben wieder weg“. Aber mich faszinierte dieses Pony von Anfang an. Man konnte auch gar nicht sagen, dass er irgendwie bösartig war. Ich glaube eher, er rebellierte zum Selbstschutz oder anders gesagt, er war in seinem Leben ein grundsätzlich falsch verstandenes Pony. Das verwundert nicht, wenn man zum Beispiel seine besondere Eigenschaft betrachtet, die ihm das Leben bislang mit Sicherheit schwer gemacht hat, denn: Wenn Yuppi jemanden mag, dann beißt er. Also er beißt nicht richtig zu, aber er knufft die Menschen, die er mag gerne mal in den Arm oder ins Bein. Das finden nicht alle Menschen toll. Bei uns im Stall weiß inzwischen jeder, warum er das macht und vor allem wird es allen Besuchern auch gleich gesagt, damit es gar nicht erst zu Missverständnissen kommt. Je schmerzhafter er zwickt, desto mehr mag er einen. Es klingt paradox, aber so ist es. Yuppi ist eben Yuppi und Yuppi ist anders als andere Pferde.
Yuppi hat auch eine Vorliebe für Reißverschlüsse, auch das muss man wissen. Kein Reißverschluss ist vor ihm sicher – aber auch hier gilt: Nur die Reißverschlüsse der Menschen, die ihm sympathisch sind, werden beknabbert. Diese Eigenschaft ist übrigens ein gutes Verfahren, um herauszufinden, wem man vertrauen kann und wem nicht. Unserem großen „Feind“, dem ich blöderweise vertraut habe, hat Yuppi nie vertraut. Ich hätte auf Yuppi hören sollen. Tiere haben ein feineres Gespür für gute und schlechte Menschen und Yuppis Gespür war richtig. Dieser vermeintliche Freund war keiner, er war ein Feind, der über Leichen geht, um zu erreichen, was er will.
Angeboten wurde mir Yuppi vor einem Jahr als sehr sozialverträglich. Davon war zu Beginn allerdings so gar nichts zu spüren. Zu seinem Selbstschutz war Yuppi egoistisch und definitiv nicht herdentauglich. Er nahm die Rolle des Herdenchefs ein, mit seinen eigenen Regeln. Die andere hatten vor ihm zu gehorchen. Was Yuppi wollte, das setzte er notfalls mit grober Gewalt durch und meist fackelte er da auch nicht lange. So schnell konnte keines der anderen Ponys gucken, da flogen dann auch schon die Hufe.
Dieses ganze Verhalten änderte sich allerdings mit unserem Umzug in einen neuen Offenstall. Statt einer Dreier- hatten wir nun eine Sechserherde. Yuppi übernahm nicht die Rolle des Chefs, man hatte sogar das Gefühl, er war froh drüber, nun irgendwo in der Mitte der Rangfolge zu stehen. Er wollte gar keine Verantwortung für eine Herde haben, das hatte in vorher anscheinend überfordert, vielleicht zeigte er sich auch genau deswegen so als Arschlochpony.
Und noch eine Veränderung gab es nach dem Umzug oder schon während des Umzuges: Man sah Yuppi seine Verwunderung an. Wir hatten den alten Stall verlassen, waren in den neuen umgezogen und er war mitgekommen. Wir hatten ihn nicht zurückgelassen, hatten ihn nicht alleine woanders hingeschickt, er war mit seinen beiden Kumpels zusammen mit uns mitgekommen. Anscheinend hatte er das bislang nie so erlebt. Man kennt seine Vergangenheit nicht wirklich, aber anscheinend war er bislang immer irgendwie übrig geblieben. Durch den gemeinsamen Umzug aber war ihm anscheinend klar, dass er zur Gruppe gehört, dass er dazu gehört, wenn von Wir die Rede ist.
In der neuen Herde hat Yuppi (wie auch die anderen) seinen Platz gefunden. Er hat einen Freund gefunden und er hat sein rüpelhaftes Verhalten abgelegt, ja man kann sogar sagen, dass er fast der sozialste der Herde ist… nur Reißverschlüsse werden immer noch beknabbert und Menschen werden gezwickt: Weil er sich wohl fühlt und die Menschen dort einfach mag.
Foto: Ist jetzt unter die Künstler gegangen